In deutschen Großstädten trifft eine wachsende Zahl von Einwohnern täglich auf eine Infrastruktur, die den gestiegenen Anforderungen an Mobilität nicht mehr gerecht wird. Staus und überlastete öffentliche Verkehrsmittel sind vorprogrammiert. Die Verwaltung ächzt unter dem steigenden Arbeitsvolumen. Die Aufgabe, eine erstrebenswerte Zukunft für das Leben in Städten zu ermöglichen, kann nur unter Zuhilfenahme von moderner Technologie bewältigt werden. Diesen Ansatz verfolgt das Konzept der Smart City. Was steckt dahinter?
Deutsche Großstädte wachsen und wachsen. Es wird überall gebaut, wo noch irgendwie Platz freigeräumt werden kann, immer mehr Menschen ziehen zu. Und mit der steigenden Einwohnerzahl wachsen die Probleme – sei es in Bezug auf Verkehr, Müll oder Verwaltung. Das Konzept der Smart City umschreibt eine Strategie, mit der diesen Problemen begegnet werden soll. Mithilfe von modernen Technologien soll es möglich sein, eine Stadt smart und damit auch in Zukunft lebenswert zu machen.
Üblicherweise wird von sechs Bereichen gesprochen, in denen sich die Modernisierung in der Stadt abspielen muss:
- Smart Economy (Wirtschaft)
- Smart People (Bevölkerung)
- Smart Governance (Verwaltung)
- Smart Mobility (Mobilität)
- Smart Environment (Umwelt)
- Smart Living (Leben)
- Smart Economy: Daten- und Informationspotenziale nutzen
Doch was umschreiben die Bereiche im Einzelnen? „Ziel von Smart Economy ist es, das große Innovationspotenzial von Städten für die Bewältigung wirtschaftlicher Herausforderungen und Veränderungen zu nutzen. Die Daten- und Informationspotenziale der Städte sollen dabei genutzt werden, um bestehende Branchen zu stärken (beispielsweise durch optimierte Produktions- oder Dienstleistungsprozesse) oder die Entwicklung neuer Branchen (z. B. digitale Angebote für Bürger und Unternehmen) zu fördern.“ – So umreißt KfW Research den Begriff Smart Economy.
Ein zentraler Aspekt, um dieses Ziel zu erreichen, ist die Vernetzung aller beteiligten Akteure und der dadurch entstehende Austausch miteinander. Auf diese Weise werden bisher ungenutzt Potenziale verfügbar gemacht. Der dabei entstehende Informationsschatz steht wiederum jedem Akteur zur Verfügung, sodass er darauf aufbauend seine eigene Leistung und somit unter dem Strich die Produktivität der gesamten Stadt steigern kann.
Smart People: Digitalkompetenz gefragt
Was genau „smarte“ Bürger einer Stadt ausmacht, ist von Stadt zu Stadt und von Mensch zu Mensch unterschiedlich. Klar ist aber, dass die Einwohner der Smart City über ein großes Maß an digitaler Kompetenz verfügen müssen. Denn nur so ist eine Teilhabe am öffentlichen Leben in einer vollständig vernetzten Stadt möglich. Diese Grundvoraussetzung wird allgemein anerkannt, während die detaillierte Betrachtung des Begriffs auch unterschiedliche Ausprägungen hervorbringen kann. So schlagen die Autoren des Buches „Die digitale Evolution moderner Großstädte“, Michael Jaekel und Karsten Bronnert, folgende weitere Eigenschaften von Smart People vor: Kreativität, Flexibilität, die Bereitschaft, lebenslang zu lernen und eine ethnische und soziale Vielfalt. Hinzu kommen die Offenheit für Neues und die aktive Teilnahme am öffentlichen Leben.
Smart Governance: Schlanke Verwaltung und Partizipation
Ein weiterer Bereich, der das tägliche Leben in einer Smart City direkt beeinflusst, ist Smart eGov. Das Ziel ist, Vorgänge sowohl zwischen einzelnen Institutionen des öffentlichen Sektors, als auch zwischen Bürgern und diesen Einrichtungen optimiert und transparent abzubilden. So soll es möglich werden, z. B. Antragsformulare, Verwaltungsakten oder Zulassungsunterlagen standortunabhängig und in digitaler Form zu bearbeiten und zu archivieren. Dazu ist der Einsatz von moderner Informations- und Kommunikationstechnik unumgänglich.
Doch natürlich ist die Umsetzung von Smart Governance mit dem Bereitstellen der technologischen Infrastruktur alleine nicht abgeschlossen. Ebenso bedeutsam ist es, Wege zur Partizipation und Anlaufstellen für Beteiligungen zu schaffen, die bisher nicht existierten. Beispielsweise braucht es eine digitale Anlaufstelle für Anliegen, Beschwerden und Optimierungsvorschläge, die für jeden Bürger leicht zu erreichen ist. Vor allem sollten aber Behörden-Services – sei es das Ausstellen eines Personalausweises oder das Registrieren einer neuen Adresse nach einem Umzug – digital angeboten werden und auch per Fernsignatur, zum Beispiel vom Smartphone aus, verifiziert werden können.
Smart Mobility: Alle Fortbewegungsmittel vernetzen
Eine Smart City sollte über eine optimierte Verkehrssteuerung verfügen. Darunter sind nicht nur das Vermeiden von Staus durch intelligente Ampelschaltung, ein gut ausgebautes Carsharing-Netz oder bedarfsoptimierte öffentliche Verkehrsmittel zu verstehen. Denn grundsätzlich geht die Umsetzung des Smart-Mobility-Ansatzes weit über diese eher vereinzelten Maßnahmen hinaus. Letztendlich steht am Ende der Umsetzung von Smart Mobility die flächendeckende Vernetzung aller vorhandenen Fortbewegungsmittel, vom Fahrrad über das Segway und den ElektroMotorroller bis hin zu Autos und Zügen. Dadurch ergeben sich viele Anwendungsmöglichkeiten, zum Beispiel punktgenaue Prognosen für das Verkehrsaufkommen.
Smart Environment: Ressourcen schonen durch Technologie
Smart Environment zielt auf Umwelt- und Klimaschutz ab. Hier spielt vor allem ein geringer Verbrauch von ständig benötigten Ressourcen wie Wasser oder Energie eine zentrale Rolle. Auch an dieser Stelle bieten moderne Technologien Lösungsansätze. So kann etwa das zur Verfügung gestellte Energieangebot mittels Computersteuerung dem tatsächlichen Energiebedarf angepasst werden. Basis für Smart Environment ist die möglichst umfassende Nutzung von regenerativen Energiequellen.
Des Weiteren meint Smart Environment die Überwachung der in der Stadt herrschenden Umweltbedingungen. Eine lückenlose Kontrolle, beispielsweise von Luft- oder Wasserqualität, erlaubt den Verantwortlichen, im Falle einer Verschlechterung schnell und punktgenau zu reagieren.
Smart Living: Kühlschränke dieser Welt, vereinigt euch
Während sich die bislang beschriebenen Veränderungen zum großen Teil im öffentlichen Leben widerspiegeln, betreffen die Neuerungen aus dem Bereich Smart Living überwiegend die eigenen vier Wände. Hier spielen vernetzte Haushaltsgeräte, Sprachassistenten und Möbel eine große Rolle. Schon heute ist zum Beispiel die ortsunabhängige Steuerung von Heizung oder Licht mit dem Smartphone recht weit verbreitet. Bereits bekannt sind auch smarte, mit dem WLAN verbundene Kühlschränke, die fehlende Lebensmittel automatisiert online bestellen können.
Die von vielen verschiedenen Parteien eingehenden Bestellungen könnten beim Händler gesammelt und zu Sendungen zusammengefasst werden, die eine möglichst kurze Lieferroute ermöglicht. Dies hat gleich mehrere Vorteile: Das Transportmittel für die Lieferung ist ausgelastet, sodass Ressourcen eingespart werden. So werden insgesamt weniger Fahrzeuge benötigt, die Verkehrswege werden geschont und die Umwelt weniger belastet. Gleichzeitig erhöht sich der Komfort für den Menschen: Schon das Schreiben eines Einkaufzettels wird obsolet.
Deutschland noch nicht smart: Was ist zu tun?
Deutschland gehört traditionell zu den Vorreitern, wenn es um die Entwicklung von neuen Technologien und deren Einsatz geht. Doch im Bereich der Digitalisierung tut sich die Bundesrepublik schwer. Das hat natürlich auch Auswirkungen auf den Smart-City-Sektor. Im internationalen Vergleich schneiden Städte hierzulande schlecht ab. Das zeigen unterschiedliche Rankings, in denen Städte in Bezug auf Faktoren, die eine Smart City ausmachen, verglichen werden. So wie der Smart-City-Index von Easypark, einem Anbieter einer Park-App. In dieser Tabelle ist Berlin die bestplatzierte deutsche Stadt. Sie steht allerdings nur auf Platz 13.
Noch schlechter stehen deutsche Städte im Smart-Cities-Ranking da, das in Zusammenarbeit von der TU Wien, der Universität Ljubljana und der TU Delft entwickelt wurde. In diesem Vergleich wurden ausschließlich mittelgroße Städte mit Einwohnerzahlen zwischen 100.000 und 500.000 berücksichtigt. Die vorderen Plätze belegen auch hier Städte aus vergleichsweise kleinen Ländern: Luxembourg, Turku (Finnland), Eindhoven (Niederlande) oder Linz (Österreich) sind weit vor Städten aus Deutschland platziert. Hier ist Göttingen die am höchsten eingestufte Stadt aus der Bundesrepublik – auf Platz 22.
Was ist also zu tun? Klar ist: Die Smart City ist nur durch das Zusammenspiel von zahlreichen Akteuren realisierbar. Das Gemeinschaftsprojekt muss von allen Bürgern, Wirtschaftskräften, Interessensgemeinschaften und nicht zuletzt der Verwaltung und den Behörden mitgetragen werden. Somit ist eine der Grundvoraussetzungen für die Transformation in eine Smart City die bestehende Akzeptanz des Vorhabens aller Betroffenen. Erreicht werden kann diese dadurch, dass der Nutzen des Projektes deutlich und nachvollziehbar wird. An dieser Stelle können öffentliche Einrichtungen wie Behörden mit gutem Beispiel voran gehen und so zum Impulsgeber für den Wandel werden. Wird der Mehrwert, der etwa durch die digitalisierte Verwaltung für jeden Einzelnen entsteht, erkannt, werden auch andere Vorhaben eher auf Zustimmung stoßen.